Kurt Buchwald
Reisefotografie
1991-2016
Atacama 1995

Seit 1989 kann ich in aller Welt reisen und binde diese Möglichkeit in meine laufenden Projekte ein. Bereits 1985 habe ich das Unterwegssein im Fotosymposium des Verkehrskombinates Karl-Marx-Stadt thematisiert. Bei der Aktion Fahren - Fotografieren - Fahren entstanden serielle Aufnahmen auf den Strecken der Busfahrten des Unternehmens. Ich habe systematisch aus dem Busfenster neben dem Fahrer fotografiert. Die Arbeit zur Wegvisualisierung war vergleichbar mit einem Forschungsprojekt. Ich bezeichne sie als konzeptionelle Fotografie. In den 80er-Jahren habe ich systematisch die fotografische Handlung befragt und Konzeptionen verfolgt, die sich daraus ergaben. 1990 begann ich eine schwarze Blendenscheibe als Störelement vor die Kamera zu montierten. Das Projekt Bilder+Blenden begann. Dieser Eingriff erzeugt auch ein Moment des absichtlich Unabsichtlichen. Mit der Störung kann ich die Erwartungshaltung überlisten. Auf meinen Touren durch die Welt habe ich auch ein Fotoverbotsschild (Aktion Fotografieren verboten 1988-2005) mitgenommen und aufgestellt. Auch das erzeugt eine Störung, die sich auf die Fotografische Handlung und die Sinnhaftigkeit des Bildermachens bezieht.

Auf Reisen in den 90er-jahren habe ich verschiedene Blenden vor die Kamera montiert. Ich erfand das Kameragewehr mit einem Spalt in der Scheibe, der wie eine Zielvorrichtung funktioniert. Zum Golfkrieg entstand das Bildtableau London, wo Sehenswürdigkeiten, Touristen und Schiffe hinter einer schwarzen Scheibe versenkt werden. Auf Mallorca habe ich eine rote Scheibe benutzt, dem Stierkampf entlehnt. Das Rechteck verdeckt fast den gesamten Bildraum. Es entstand das Bildtableau Cala San Vincente. Es ist bis zum 11.09.2017 in der Berlinischen Galerie zu sehen. Mit dieser Arbeit begann ich mit der Farbfotografie. Zur Störung kam ein neues Element. Die großen Farbflächen erzeugen eine eigene sinnliche Realität an der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion. Parallel benutzte ich auch eine blaue Scheibe, die durch das Umgebungslicht ihre Farbe verändert. Ich war irritiert und verwarf die Serie. Im LiTE-HAUS wird sie 2017 ausgestellt.

In der Atacama-Wüste 1995 habe ich ohne Scheibe fotografiert und nach natürlichen Hindernissen wie z.B. einem Straßenschild gesucht. Als Mensch der Ebene sind für mich die Weite, der freie Blick von großer Wichtigkeit. So erzählen die Bilder in der Wüste auch vom Gegenstand, der in der Gegend stand, vom Weg, der sich endlos in der Ferne verliert. Auch 1999 in Bali benutzte ich ein Objekt als Störelement: eine Maske aus dem Andenken-Laden.
Ergebnisse meiner Südamerikareise habe ich 1996 in der Ausstellung EL VIAJE I in der Berliner Kulturbrauerei gezeigt. Vor einem fotografischen Panorama der Osterinsel stand die rote Stele Kiea Mano. Eine Figur des Vogelgottes bildet den Abschluss der Säule, die 2017 auch im LiTE-Haus Galerie + Projektraum zu sehen ist.

2002 in Italien habe ich die Scheibe durch ein Rohr ersetzt und entwickelte die Konzeption Im Kreis der Wahrnehmung. Parallel entstand, losgelöst von allen Dogmen, der Große Index - in viaggio, der vom Unterwegssein erzählt. Er erhielt den Kobu-Kunstpreis für Fotografie.

In Arles habe ich die Kamera gekippt und an vordefinierten Punkten, senkrechte Pfähle und Häuserecken fotografiert. So entstand 2013 die Serie der Kippbilder. 2016, wieder auf Mallorca, hielt ich einen Palmwedel vor die Kamera. Seit der Antike gibt es ikonografische Darstellungen mit einem Zweig. Ich kombinierte die Wedel zu neuen Strukturen, es entstanden die Bildfahnen Cala Rajada. Mit einer ähnlichen Methode hatte ich bereits 1980 experimentiert (Bild des Doms) . Die Welt verschwindet in einem Muster, in einer neuen Realität. Der Widerspruch, dass mit der Abbildung einer fremden Welt zugleich auch eine Fiktion dieser Welt entsteht, löst sich auf.



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Großes Zeichen, Atacama, Chile 1995
   
Steele Kiea Mano mit dem Panorama der Osterinsel (6m Breite) 1995 / der Ausschnitt ist im LiDE-HAUS zu sehen
   
Bildtableau "Cala san Vincente" Blau, Mallorca 1991/ 2017
   
Bildtableau "Cala san Vincente", Rot, Mallorca 1991
Besuche vor dem Bildtaleau in der Ausstellung "Die Fotografierte Ferne" in der Berlinischen Galerie, Museum für Zeitgenössische Kunst, 2017
   
Doppelbild, Im Kreis der Wahrnehmung, Olevano 2002
   
Großer Index - in viaggio, Italien/ Rom/ Olevano 2002
   
Einzelbilder aus dem Index - in viaggio, Italien/ Rom/ Olevano 2002
 
Aus dem 36-teiligen Bildtableau, Die Himmel, Bretagne 2011
 
Kippbilder, EVADE, Arles 2013
 
 
Palmenwedel, Mallorca 2016
 
Bali 1999
 
Bildfahnen Cala Rajada, Mallorca 2016
 
Kurt Buchwald im Gespräch mit Enno Kaufhold und Uwe Warnke am 03.07.2017/ Video: Bernd Böhlendorf/ Foto: Detlev Schilke
Videodokumentation
Vernissage mit Enno Kaufhold
Gespräch mit Uwe Warnke + Kurt Buchwald